Logotherapie-Kalender


01

Das Reizvolle an der Logotherapie ist ihr positives Menschenbild. Immer ist sie auf der Suche nach einem Lichtstrahl der Freiheit und etwas Wertvollem, dem wir uns zuneigen können.


02

Viktor E. Frankl (1905-1997) war ein Mensch, der das Leben in seiner ganzen Fülle meinte. In der Logotherapie als Lehre formuliert er seine tiefsten persönlichen Erkenntnisse und Wahrheiten, die sich auch wissenschaftlich überprüfen lassen. Deshalb hat die Logotherapie eine Atmosphäre des Authentischen.


03

Sinn ist nicht irgendetwas. Es ist das, was den Menschen in seiner Ganzheit berührt und ihn in seinem personalen Kern betrifft. Jeder Mensch ist auf Sinn hin angelegt. Findet er den ihm zugedachten Sinn, ist er glücklich, findet er ihn nicht, fühlt er den Schmerz der Entfremdung.



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Die Logotherapie ist eine Psychologie, die das echt Menschliche im Menschen sucht. Durch alle biologischen und psychischen Mechanismen hindurch ist sie immer daran interessiert, den Menschen als geistige Person wahrzunehmen, eben das Menschliche im Menschen zu sehen.


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Der Begriff der Selbsttranszendenz meint das sich geistige Ausrichten auf die Welt, auf das Sinnvolle und Wertvolle, das es darin zu entdecken gibt.


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Viktor Frankl schrieb 39 Bücher, die bisher in 45 Sprachen (2015) übersetzt wurden. Er hielt Vorträge an 209 Universitäten in aller Welt und bekam 29 Ehrendoktorate verliehen. Sein Buch "...trotzdem Ja zum Leben sagen" wurde ein Weltklassiker.



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Frankl kennt das Sinnlosigkeitsgefühl aus eigener Erfahrung. Als junger Mensch hatte er mit dem Gefühl zu ringen, dass vielleicht alles sinnlos sei. "Und dieses Ringen hat dann schließlich zu einem Sich-Durchringen geführt. Und ich habe gegen den eigenen Nihilismus ein Gegengift entwickelt." (Frankl)


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Frankl beschrieb drei Wege zum Sinn. Die "Schöpferischen Werte" (das Leben aktiv gestalten), die "Erlebniswerte" (etwas in seiner Schönheit und Werthaftigkeit erleben), die "Einstellungswerte" (sich zu einem unabänderlichem Schicksal einstellen). Alle Wege bieten dem Menschen die Möglichkeit, sein Leben als sinnvoll wahrzunehmen.


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Die Logotherapie ist eine Hilfe zur Sinnfindung im Alltag. Sie kann den Sinn nicht geben, aber sehr wohl die Wahrnehmung dafür schärfen.



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Das Konzept "Logotherapie für die soziale Praxis" folgt einer Grundintention Viktor Frankls, nämlich die Logotherapie nicht nur als Psychotherapie zu vermitteln, sondern auch als Lebenshilfe und Alltagsorientierung. Menschen sollen instand gesetzt werden, ihre ganz eigene Sinnspur im Leben zu finden.


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Die Logotherapie ist eine sinn-, wert- und ermutigungsorientierte Lebensschule. Sie will den Menschen näher an die Wertfülle des Lebens heranbringen.


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Logotherapie ist eine am Geistigen orientierte Psychotherapie bzw. Philosophie. Sie weist Wege auf, um Halt am Geistigen zu finden, eine geistige Verankerung. Denn es ist nicht unerheblich, wie wir uns im Geistigen verankern, in unserer Weltanschauung. Sie kann lebensnah sein und Sinnbezüge haben oder in sich widersprüchlich sein. 


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Das Leben hat einen Aufgabencharakter. Es stellt uns in Situationen hinein, die für uns günstig oder ungünstig sind. Immer sind wir es, die dann aufgerufen sind, diese zu gestalten. Das muss uns bewusst werden, dass wir selbst immer die Antwortenden sind, die das Leben sinnvoll gestalten können.


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"Man muss dem Leben eine starke positive Strömung nach persönlichkeitsgerechten Zielen geben. Im stehenden Wasser können Komplexe am besten wuchern: eine frische Strömung reißt sie fort." (Ernst Kretschmer) Das Eigene finden im Leben, die Aufgaben und die Beziehungen, die zu einem passen. Das gibt Kraft.


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Wer das Sinnvolle sucht hat einen guten Maßstab. Er braucht sich nicht an den Meinungen der Leute zu orientieren. Er schaut auf das, was in einer bestimmten Situation eben das Sinnvolle ist. Er hat gelernt, Maßstäbe zu erkennen, das Wichtige vom Unwichtigen, das Trügerische vom Authentischen zu unterscheiden. Das ist sehr hilfreich.


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Was ist der nächste sinnvolle Schritt? Das lässt sich nicht immer einfach beantworten. Man braucht Unterscheidungsvermögen und ein Wissen, auf was bei einer Entscheidung alles zu achten ist.


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Manchmal ist das Sinnvolle das Schwere, wozu man eigentlich keine Lust hat. Wenn ich aber den Wert, der verwirklicht werden soll, im Sinne eines Werteempfindens wirklich spüre, fällt auch das Schwere der Sinnverwirklichung von mir ab. Deshalb ist es so wichtig, nicht nur um das Ziel meines Tuns zu wissen, sondern auch um den Wert meines Tuns. Dafür kann ich meine Aufmerksamkeit schärfen.


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Wer sich in der Sinnfindung üben will, lernt, auf die eigene Stimme zu hören. Nicht die Stimme der anderen, die etwas von mir wollen, eigentlich auch nicht auf meine eigene Ego-Stimme, sondern auf die Stimme in mir, die sich sowohl mit meinen eigenen Bedürfnissen, Werten und Zielen als auch mit denen der anderen und mit denen des Lebens beraten hat. Aus der Berücksichtigung von allem ergibt sich der Sinn.


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Mit dem Sinn ist es wie mit einem Schachspiel. Ich kann ja nicht fragen: Was ist der nächste sinnvolle Schachzug? Der ergibt sich nämlich erst aus der Konstellation der Figuren. Nicht anders ist es im Leben. Je nachdem, wie die Konstellation zwischen mir als einer einzigartigen Person und einer einmaligen Situation ist, ergibt sich der konkrete Sinn, die Antwort auf die Frage: Was ist der nächste sinnvolle Schritt?


20

In einer Krisensituation erkennen wir oft ganz klar, was sinnvoll ist und was nicht. Wenn unser Leben seinen oberflächlichen Spielcharakter verliert, fallen wir in ein Netz, dass an Sinnpfeilern befestigt ist.


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Manchmal erkennen wir den Sinn von etwas erst später. Da kommen Zumutungen auf mich zu, eine Arbeit, die ich verliere, ein Mensch, der unfreundlich zu mir ist. Und viel später erkenne ich, dass ich durch den Verlust meiner Arbeit  Kraft gewonnen habe, etwas ganz Neues anzufangen. Oder ein Mensch hat mich persönlich herausgefordert, und ich bin als Persönlichkeit daran gewachsen. Man weiß nie so ganz genau, wozu etwas gut ist. Das Ergebnis soll man sich immer als offen vorstellen.


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Die Freude ist eine starke und wohltuende Lebenskraft. Und leicht verlernen wir, uns zu freuen, weil wir uns an Dinge zu schnell gewöhnt haben. Es ist durchaus eine geistige Fähigkeit, eine Vorfreude auszukosten und die Zeit des Wartens zu genießen. Ebenfalls kann man  die Nachfreude genießen. Man kann die Freude über etwas, das man bekommen hat, immer wieder aufs Neue bestätigen, indem man es wertschätzt. Über den teuren und lang ersparten Eichentisch kann ich mich ein Leben lang freuen, wenn ich seinen Wert und seine Schönheit nur immer wieder zur würdigen weiß.



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Manchmal besucht man Menschen und hat keine Freude am Zusammensein mit Ihnen, weil sie nur von sich und ihren eigenen Leiden reden. Oder sie bieten nichts Inspirierendes an. Dann kann ich spielerisch damit umgehen, indem ich mir sage, dass ich jemandem ein Zeitgeschenk mache. In dieser Zeit darf der andere so sein wie er ist. Er kann die Situation gestalten wie er will. Es ist mein Zeitgeschenk an ihn. Und irgendwie sind dann beide zufrieden.


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Wer bin ich? Was soll ich? Was kann ich? Das sind wichtige Fragen, die wir uns viel zu selten stellen. Davon hängt aber ab, ob ich mich selbst gut verstehe, ob ich erkenne, was zu tun ist und ob ich meine Kräfte und Fähigkeiten richtig einschätze.


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Das Leben funktioniert für viele irgendwie. Ich kann es aber optimieren. Das ist auch ein Grundanliegen der Logotherapie: "..to make the best oft it, wie es so schön im Englischen heißt, also das Beste daraus machen: das Beste jedoch heißt auf Lateinisch Optimum." (Frankl)


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Sinnfindung kann ganz einfach sein. Nur die Wahrnehmung ein klein wenig justieren, und schon liegt der Sinn offen vor mir. Sinnfindung kann aber auch ein langer Prozess sein, der sich über Wochen, Monate, Jahre hinzieht. Das Leben ist manchmal komplex. Wir müssen erst all die Facetten der Situation kennenlernen. Trotzdem ist es gut, dass wir Sinnsuchende sein können. Und in diesem Bemühen haben wir immer eine treue Begleiterin zur Seite: die Hoffnung.


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Frankls Anliegen war es, den Menschen als geistige Person sichtbar werden zu lassen. Wir sind eingebunden und verstrickt in unsere eigenen biologischen und psychischen Vorgänge. Aber wir sind darin nicht gefangen. Als geistige Person können wir aus diesen Ebenen in die freie geistige Ebene heraustreten und uns selbst gestalten, an uns arbeiten, uns trainieren. Und wir können von uns absehen und uns der Welt zuwenden, sie in ihrer ganzen Wertfülle wahrnehmen. In der Logotherapie wird dieses Wissen um die geistige Person erarbeitet.


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Das Konzept "Logotherapie für die soziale Praxis" vermittelt die Grundthemen der Logotherapie, die für das Alltagsleben von Bedeutung sind. Der Mensch als Gestalter seines Lebens, die Entdeckung der Sinnfülle des Lebens, der Umgang mit schwierigen Lebenssituation, das Finden von Einstellungen, die das Leben besser gelingen lassen.



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In der Kindheit sagte man uns "Sei mal dankbar!", und wir waren es nicht. Dankbarkeit lässt sich nicht erzwingen. Sie ist die freie Erkenntnis und Wertschätzung, dass uns etwas unverdient gegeben ist, dass etwas nicht selbstverständlich ist. Aber wir haben es, und das erkennen wir an. Daraus entsteht eine große Freude und Zuneigung zum Leben - vielleicht auch Verantwortlichkeit.


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Die Weise wie wir in das Leben schauen ist nicht belanglos. Z.B. gibt es den Rückschaufehler. Das zu häufige grüblerische Anschauen und Wiedererleben einer früheren seelischen Verletzung. Manche Dinge soll man ruhen lassen und sich lieber solchen Erinnerungen widmen, die Kraft spenden. Oder sich der Sinnfülle der Gegenwart zuwenden.


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In einem Gespräch mit einer ehemaligen Seminarteilnehmerin fragte ich, was sie denn von dem Seminar, dass sie vor vielen Jahren besucht hatte, behalten habe. Sie antwortete: "Dass das Leben immer einen Sinn hat."
Eine wichtige Einsicht, die besonders dann wichtig ist, wenn es einmal schwer fällt, in einer Situation den Sinn auch zu sehen. Aber es ist gut zu wissen, dass Sinn da ist. Dann lohnt es sich auch ihn zu suchen.



Alle Texte und Fotos (C) 2015 Manfred Hillmann